Wie soll man ein Frühgeborenes ohne Brutkasten durchbringen? Wie spendet man ihm Wärme, so das seine Überlebenschancen steigen? In Bogota, der Hauptstadt Kolumbiens, kam der Arzt Edgar Rey Sanabria, ein Professor für Neonatologie an der Universidad Nacional de Colombia, auf eine rettende Idee: er entwickelte, angelehnt an die Fortpflanzung von Beuteltieren, insbesondere Kängurus (diese tragen ihren noch unreifen Nachwuchs einige Zeit am Körper) eine Methode, um den Mangel an Inkubatoren, Betreuungspersonal und weiteren Mitteln zu mindern: um die Neugeborenen warmzuhalten und zu stillen, schlug er vor, frühgeborene Kinder regelmäßig in Hautkontakt mit ihren Müttern zu bringen und die Babys nackt auf ihren Körper zu legen und diese zusätzlich mit Decken zuzudecken.
Die Methode entwickelte sich weiter. Heute findet „Kängururing“ in vielen westlichen Frühgeborenenstationen statt. Und nicht nur dort: denn Babys gedeihen nachweislich besser, wenn Eltern mit ihnen kuscheln. Denn Berührungen sind wichtig.

Experimente zur Bedeutung von Berührungen
Einer der ersten, der die Bedeutung von Berührung untersucht hat, war der Verhaltensforscher Harry Harlow.
Der Hintergrund seiner Studien: bis in die 1950 er Jahre rieten Psychologen jungen Müttern, den Körperkontakt mit ihren Säugling möglichst auf das Füttern zu beschränken. Denn Kuscheln und Trösten wurde für die Entwicklung von Kindern als negativ angesehen, da es die Kinder verwöhnen würde. Ausgenommen von diesem Berührungsentzug waren Ohrfeigen, Hinternversohlen und andere Züchtigungsmaßnahmen.
Auch Harry Harlow teilte diese Sicht der Dinge: und entdeckte die Bedeutung von Berührung eher per Zufall: um Affen für seine Forschung möglichst keimfrei aufziehen zu können, isolierte er die neugeborene Äffchen von ihren Müttern.
Allerdings entwickelten sich diese nicht wie erwartet, sondern zeigten deutliche Entwicklungs- und Verhaltensstörungen. Was Harlow zu der Frage führte, ob der natürlicherweise enge Kontakt zwischen Äffchen und Mutter noch einen anderen Sinn als das bloße Überleben hatte?
Ethisch bedenkliche Versuche
Um seine Hypothese zu testen, isolierte Harlow wieder neugeborene Rhesusaffen von ihren Müttern. Doch diesmal bekamen sie einen Ersatz: zwei Puppen, deren Form und Aussehen echten Affen ähnelte. Eine Mutter war aus hartem Metall und eine Mutter aus Stoff, welche mit Wolle gepolstert war.
Milch bekamen die Äffchen nur von der Draht – Mutter, über ein integriertes Fläschchen. Obwohl sie damit über das über lebenswichtige Futter verfügte, verbrachten die kleinen bei ihr nur ein Minimum an Zeit.
Die weiche Stoff – Mutter hingegen war ganz klar der Favorit, weil sie den jungen Äffchen das taktile Feedback gab, welches sie brauchten. Mit ihr kuschelten sie, bei ihr schliefen sie.
Kamen die Äffchen alleine in eine neue Umgebung waren sie verschreckt und verängstigt. Mit der Stoff – Mutter jedoch zusammen waren sie neugierig und interessiert.
Dieses Experiment aus den 1950 er Jahren hat gezeigt wie wichtig Körperkontakt für die Entwicklung eines gesunden Sozialverhaltens ist. Auch, wenn dieses ethisch durchaus bedenklich war.
Langzeitstudie aus rumänischen Kinderheimen
Hinweise gibt zudem auch eine umstrittene Langzeitstudie, das Bucharest Early Intervention Project, aus rumänischen Kinderheimen. Dieses wurde ab dem Jahr 2000 von amerikanischen Psychologen verschiedener Universitäten durchgeführt, um den Einfluss von emotionaler und körperlicher Vernachlässigung auf rumänische Heimkinder zu untersuchen.
Dafür gaben die Forscher verwaiste Kinder und Jugendliche entweder in ein Kinderheim oder zu speziell ausgebildeten Pflegefamilien.
Das Ergebnis zeigte deutlich, dass die Kinder, die in einem Kinderheim aufwuchsen im Durchschnitt einen geringeren IQ hatten als die Kinder, welche bei Pflegeeltern aufwuchsen.
Und nicht nur das: es wurden auch mehr psychische Probleme, Schwierigkeiten mit familiärer Bindung und eine veränderte Gehirnchemie bei den Kindern festgestellt, welche jünger als zwei Jahre waren.
Bei den Kindern, die zu Pflegeeltern kamen trat genau das Gegenteil auf.
Die Forscher führen die unterschiedlichen Entwicklungen der Kinder auf die körperliche und emotionale Vernachlässigung in den stark unterbesetzten und schlecht finanzierten Heimen zurück.
Hinzu kommt außerdem, dass der Körperkontakt das Wachstum von Kindern beeinflusst.
Studien haben gezeigt dass Frühchen, die eine Berührungstherapie bekommen, fast doppelt so schnell an Gewicht zulegen wie Babys, die eine solche Behandlung nicht erhalten.
Der Tastsinn

Der Tastsinn ist der erste Sinn, der sich entwickelt und wird nicht umsonst als Außenstelle des Gehirns bezeichnet. Unsere Haut besitzt mehrere Sinneszellen, die wie Oberflächensensoren Reize (Veränderungen in unserer Umwelt) an das Rückenmark weiterleiten.
Forscher konnten nachweisen, dass schon Ungeborene im Mutterleib sich an die Gebärmutterwand drücken, um sich selbst zu beruhigen, wenn sie zum Beispiel von außen mit lauten Tönen konfrontiert sind.
Augen kann man zumachen, Ohren verschließen, die Nase zuhalten. Aber der Tastsinn lässt sich nicht ausblenden.
Unsere Haut ist somit eine einzige Antenne, deren Aufgabe es ist, emotionale, hormonelle und Verhaltensreaktionen zu ermöglichen oder zu unterstützen, wenn wir Hautkontakt zu einem anderen Menschen haben. Kein Wunder also, dass Berührungen so wichtig und unsere erste Sprache sind.
Warum sind Berührungen wichtig
Berührungen halten gesund
Darauf weisen viele Studien hin. So maßen japanische Forscher um den Wissenschaftler Hidenobu Sumioka die Konzentration bestimmter Eiweißstoffe im Blut von Paaren: das Ergebnis zeigt, dass diejenigen, die zuvor miteinander gekuschelt hatten, mehr für das Abwehrsystem schützende Substanzen im Blut hatten.
Spannend ist auch, dass Patienten, die von ihrem Hausarzt kurz am Arm berührt wurden, ihre Tabletten anschließend regelmäßiger einnahmen als jene, welche nur mit dem Arzt gesprochen haben.
Auch Kleinkinder profitieren von Berührungen: So zeigte sich, dass Neugeborene weniger unter Schmerzen litten, wenn sie kuscheln durften.
Berührungen reduzieren Stress
Allein das Auflegen einer Hand auf den Körper eines anderen senkt die Produktion von Stresshormonen wie Cortisol und regt die Ausschüttung von Hormonen wie Oxytocin oder Prolaktin an, die den Körper entspannen.
Halten sich Freunde oder Partner vor stressigen Prüfungssituationen an der Hand, senkt das sogar den Blutdruck. Dieses wies das Touch – Research – Institut in Miami nach.
Berührungen stärken Kinder
Schon unter den Kleinen gibt es ein unterschiedliches Kuschelverhalten.
Die Forschung unterscheidet zwischen „cuddlern“ und „nicht – cuttlern“.
Doch berührt werden wollen alle – nur eben entsprechend ihrer Neigung.
Die Bindungsforschung ist sich einig: wenn Eltern achtsam auch auf das Schmusebedürfnis des Nachwuchs eingehen, hat er beste Startchancen, kann auch später im Leben Stress besser verarbeiten und leichter Zuneigung geben.
Berührungen schenken Erfolg
Laut einer kalifornischen Studie, besteht ein Zusammenhang zwischen dem Erfolg von Basketballspielern und der Frequenz, mit der sich die Teammitglieder berühren.
Übrigens: Verhandlung laufen nachweislich besser, wenn alle Teilnehmer auf weichen statt auf harten Stühlen sitzen. Könnte man bei der nächsten Familienkonferenz mal ausprobieren oder Arbeitgebern als Impuls für die nächsten Vorstellungs- bzw. Gehaltsgespräche mitgeben.
Berührungen stützen die Liebe
Insgesamt 102 Paare nahmen an einer Studie teil, bei der viermal am Tag der kleine Taschencomputer klingelte und den Studienteilnehmern Fragen zu ihrer Befindlichkeit stellte. Die Studie der Universität Fribourg ergab, dass die Paare, die sich häufiger berührten, über mehr Nähe und weniger Streit berichteten und sie in besserer Stimmung waren.
Fazit der Wissenschaftler: Paare können Berührungen als Sprache nutzen, um miteinander in Kontakt zu treten und sich wohlzufühlen.
Wann hast du das letzte Mal einen Menschen berührt?
Dein Artikel stimmt! Berührungen sind wichtig und gehören in jede normale Beziehung. Es sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber wir leben nicht in einer normalen Selbstverständlichen Welt. Leider!
Mit freundlichen Grüßen
Miss Katherine White
work-life-balance
https://www.miss-katherine-white.com/mein-blog-ist-jetzt-1-jahr-alt/
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Hallo Katherine!
Berührungen können ja nicht nur rein körperlich sein, auch ein wertschätzendes Wort kann sich wie eine Berührung anfühlen. LG Maria
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