Brauchen Kinder Lob?

John Holt sagte einmal: „Müssen Kinder wirklich so gelobt werden? Wenn ein Kind, nach langem Bemühen, endlich den Zauberwürfel entzaubert hat, muss ihm dann noch gesagt werden, dass es das gut gemacht hat? Weiss es nicht, ohne dass es ihm gesagt wird, dass es etwas geleistet hat? Drängen wir uns nicht sogar dazwischen, stehlen wir ihm nicht ein bisschen vom Glanz des Ruhmes, schieben wir uns nicht ins Rampenlicht, loben wir uns nicht selber dafür, ein so kluges Kind herangezogen zu haben? …
Wir zerstören die nicht an ein bestimmtes Interesse gebundene (aber keinesfalls desinteressierte) Liebe der Kinder zum Lernen (besonders bei kleinen Kindern sehr ausgeprägt), indem wir sie anstiften oder zwingen, etwas für geringfügige und lächerliche Belohnungen zu tun – goldene Sternchen oder Zettel mit der Zahl hundert, die an die Wand gehängt werden, oder Einsen auf Zeugnissen oder Ehrenurkunden oder Erwähnungen auf besonderen Listen …
Kurz, für die unehrenhafte Befriedigung, die das Gefühl bietet, besser als andere zu sein.
Wir vermitteln ihnen, dass es in der Schule einzig und allein darum geht, eine gute Note für eine Arbeit zu bekommen oder andere mit seinem Wissen zu beeindrucken.“
Genauso wie Strafen nicht immer den gewünschten Effekt haben, kann auch ein Lob für eine Fähigkeit / ein Talent zu einem gegenteiligen Effekt führen.
Ein Lob wird von Eltern zum einen dazu verwendet um das Selbstwertgefühl und damit verbunden das Selbstvertrauen des Kindes zu stärken und zum anderen ist es zu einer Art geworden „Ich liebe Dich“ zu sagen.
Denn wenn jede kleine Tätigkeit mit einem Lob kommentiert wird, können Kinder zum einen süchtig nach Loben werden, welches sie in eine Abhängigkeit bringt und sie sich so ohne Lob wertlos fühlen und zum anderen verleitet dieses zu einem falschen Selbstbild, welches das Kind von sich selbst bekommt und verliert dadurch das Vertrauen in das Feedback der Eltern.
Nicht zuletzt wird der Wert des Menschen an sich und die Persönlichkeit in den Hintergrund geraten.

Unterschied zwischen Lob und Wertschätzung
Unterschied zwischen Lob und Wertschätzung

Unabhängigkeit

Kinder in ihrem Leben begleiten zu dürfen heißt in erster Linie mit ihnen in Beziehung zu treten, so dass sie zu verantwortungsvollen, selbstständigen und unabhängigen Persönlichkeiten heranwachsen können. Sie lernen Dinge anzufangen und diese zu beenden, Entscheidungen zu treffen und dass ihre Handlungen Folgen haben.

Anerkennung, statt manipulativ zu loben

Es geht nicht darum deinem Kind keine Anerkennung mehr auszudrücken, sondern nicht mehr manipulativ zu loben.
Wenn es z. B. nach dem Kindergarten statt die Jacke auf den Boden zu werfen sie an die Garderobe gehängt hat, kannst du dich bei deinem Kind natürlich bedanken: „Danke, dass du die Jacke an die Garderobe gehängt hast:“
Damit bekommt dein Kind sowohl Anerkennung als auch das Gefühl von dir gesehen zu werden.
Bei Sätzen wie: „Du hast deine Jacke aber toll aufgehängt!“ bewertest du dein Kind. Du sagst ihm, dass es genau das so getan hat wie du es wolltest und es zukünftig auch so sehen möchtest. Damit manipulierst du dein Kind: Es wird beim nächsten Mal die Jacke genauso wieder hinhängen, weil es gelobt werden will und weiß, dass es dich damit glücklich macht (Kinder möchten ihren Eltern gefallen und kooperieren) und nicht, weil es Lust hat zu helfen und selbstständig werden möchte.
Möchtest du, dass dein Kind eine Leistung erbringt, weil du dich dann freuen kannst?

Lösungsweg benennen, nicht das Ergebnis

Es ist nicht wichtig, dass deinem Kind etwas gelingt, sondern dass du ihm das Gefühl vermittelst wertvoll zu sein. Denn indem du das Durchhaltevermögen und den Prozess deines Kindes benennst, wird es auf dem Weg zu seinem Ziel mutiger.
„Der Turm hat gewackelt und du hast weiter gebaut.“

Dosiere dein Lob

Lob
Lob

Natürlich kannst du dich über einen neuen Entwicklungsschritt deines Kindes mit ihm freuen, jedoch nicht bei jeder Kleinigkeit im Alltag in Lob ausfallen. „Prima“, „toll“, „gut gemacht“ sind nur einige der Lobeshymnen, die Kinder täglich hören.
Doch umso mehr du lobst umso größer wird für dein Kind das Gefühl der Abhängigkeit und es fühlt sich ohne Lob schlecht und wertlos.
Denn durch die Lobeshymnen hat es das Gefühl perfekt zu sein und macht dadurch einiges um dieses Gefühl weiter zu behalten.

Sei ehrlich

Dein Kind spürt, wenn deine Worte nicht passend zu deiner Haltung sind und auch, wenn dein Tonfall nicht zu deinem Gesagten passen.
Umso mehr freut es sich, wenn es ein ehrliches Lob bekommt. Denn es sehnt sich, wie jeder andere Mensch auch, nach Anerkennung. Es möchte dazu gehören und wahrgenommen werden.
Für uns Erwachsene ist ein ehrlich gemeintes Lob eine Ermunterung und positives Feedback. Es führt nicht zwingend dazu, dass wir uns unwohl fühlen, wenn dieses ausbleibt, denn wir wissen, dass wir trotzdem geliebt werden.
Dieses Wissen hat dein Kind aber noch nicht. Daher zweifelt dieses viel schneller nach einem lauteren und nicht ehrlich gemeinten Wort und hat eher das Gefühl nicht mehr geliebt zu werden.

Keine Eigenschaften loben

„Du bist ein schlaues Kind!“
Schlau ist eine Eigenschaft. Wenn du diese lobend hervorhebst, kann dieses dazu führen, dass dein Kind keine neuen Herausforderungen bewältigen möchte, da es in seiner Motivation gehemmt wird und sich dieses nicht mehr zu traut. Dadurch stellt es sich kaum noch neuen Herausforderungen und wird eher Dinge tun, die es bereits erfolgreich gemeistert hat und sich somit sicher ist, dass ihm diese gelingen.
Auch kann es dazu führen, dass sich dein Kind schämt Fehler zu begehen. Dieses ist bei einem ohnehin schon geringen Selbstbewusstsein nicht von Vorteil. Daher loben einige Eltern diese Kinder noch häufiger, da sie denken, dass dieses ihr Selbstwertgefühl bestärken kann. Doch genau der gegenteilige Effekt tritt ein:
Kinder mit geringem Selbstwertgefühl bekommen das Gefühl, dass sie nur wertgeschätzt werden, wenn sie erfolgreich sind. Wodurch sie beim Scheitern einer Aufgabe, das Gefühl haben wertlos zu sein und sich somit emotional verwundbar gezeigt haben.

Vergleiche fördern den Wettbewerb

Vergleiche fördern den Wettbewerb unter den Kindern und sorgen sowohl für Ehrgeiz als auch dafür, dass sich Kinder unter Druck gesetzt fühlen, da diese genauso gut sein wollen wie andere Kinder, um gelobt zu werden.

Widerwillige Reaktion auf ein großzügiges Lob

„Du bist das schönste Mädchen, was ich kenne!“
Von dir als Lob gemeint, von deinem Kind als Belastung empfunden.
Daher ist es nicht verwunderlich, dass Eltern es nicht verstehen können, wenn ihre Tochter sich plötzlich ihre heiß geliebten langen Haare selbst abschneidet oder sich diese mit einer, in der Natur nicht vorkommenden Farbe, färbt.
Mit diesem Lob engst du dein Kind ein und es reagiert als ob es sich die eigene Haut abstreifen möchte. Es möchte wieder frei sein!

Beeinflussung ist doch aber wichtig, oder?

Vertrauen
Vertrauen

Ist es nicht unsere Aufgabe als Eltern unseren Kindern Werte, Moral und Benehmen beizubringen?
Stell dir einmal vor, dein Partner würde dich dafür loben, dass du die Fenster geputzt hast und man durch diese wieder hindurchschauen kann. Wie würdest du dich fühlen, wenn du nun herausbekommen würdest, dass er es für normal hält, dass du in deinem Alter die Fenster putzen können solltest und auch regelmäßig? Er es aber so nicht formuliert, weil er ja im selben Alter ist und somit auch die Fenster putzen können sollte? Du denkst, dass dein Partner weder so denkt noch dieses aussprechen würde?
Warum handeln wir dann so gegenüber unseren Kindern?
Entwickelt sich das Verständnis von Werten, Moral und Benehmen nicht viel mehr durch das aktive Vorleben von uns Erwachsenen gegenüber unseren Kindern?

Steigert sich das Selbstwertgefühl durch das Loben?

Wie kann man ein gesundes Selbstwertgefühl und Freude an dem was man tut entwickeln, wenn die eigenen Leistungen bewertet werden?
Wie fühlt sich ein Kind, wenn es ständig hört, dass es nicht gut genug ist?
Wie fühlt es sich, wenn seine Leistungen nicht den Erwartungen der Eltern, entspricht?
Was für ein Selbstbild bekommt das Kind von sich selbst?
Und wie wird dieses selbstkritisch?
Für dein Kind und seine Entwicklung ist dein Vertrauen essentiell

Doch was passiert eigentlich im Gehirn?

Beim Lernen, und wir lernen ständig, stetig und überall, belohnt sich unser Gehirn für jeden Erfolg selbst.
Wenn dieses Belohnungssystem, welches im Jahre 1954 entdeckt wurde, im Gehirn angesprochen wird, werden die Nervenzellen dort aktiviert und schütten den Botenstoff Dopamin aus.
Haben wir etwas erreicht, werden die Nervenzellen aktiviert und schütten Dopamin aus, welches uns ein Glücksgefühl vermittelt. Und weil sich dieses gut anfühlt, verlangen die Hirnzellen nach mehr Erfolg, mehr Dopamin.

Wenn aber nun der Erfolg an eine Belohnung geknüpft ist, die Motivation also von außen entstanden ist, führt dieser nur zur einer kurzen Dopaminausschüttung und ist wenig nachhaltig.
Wenn der Erfolg aber aus der eigenen Motivation heraus entstanden ist, das Glück und die Freude tiefer sind, wird zum einen das Gefühl als nachhaltiger erlebt und zum anderen verankert sich das Selbstwertgefühl tief im Gehirn und lässt so Menschen innerlich wachsen.

22 Kommentare zu „Brauchen Kinder Lob?

  1. Lucie Körber 7. April 2020 — 10:03

    Klasse beschrieben!
    Meine Kinder freuen sich immer wenn ich mich mitfreue wenn sie etwas (neues) geschafft haben. So wie gestern zum ersten Mal einen Ball aus der Luft gefangen. 🙂

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    1. Vielen lieben Dank, dass du deine Erfahrung mit uns hier teilst.
      Freude ist so etwas Wichtiges

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