Gastartikel: Leistungsdruck von Vietnamesischer Familie

Wenn ich nach dem Thema: Vietnam und Bildung / Integration / Leistung suche, wird häufig in den Medien von der schlechten Integration, dem Leistungsdruck und der Strenge berichtet. Daher möchte ich hier meine persönliche Meinung zu diesem Thema äußern.

Zuallererst einige Fakten und Informationen aus den Medien

  • ca. 100.000 Vietnamesen leben in Deutschland (Statistisches Jahrbuch der BRD)
  • Mit dem Sieg des kommunistischen Nordens Ende der 70er-Jahre kam eine Welle von Süd-Vietnamesen (Boat People) in die Bundesrepublik
  • In den 80er-Jahren folgten wiederum Gastarbeiter des sozialistischen Norden in die DDR
  • Nach der Wende hatten die Gastarbeiter keinen Aufenthaltstitel mehr, wurden abgeschoben, kämpften um Asyl
  • Erst 1993 wurde der Status der Gastarbeiter legalisiert
  • Vietnamesen sehen Bildung und Fleiß als sehr wichtig an, gegen Armut
  • Der Leistungsdruck und der Ehrgeiz der Eltern sind enorm
  • Die einstigen Gastarbeiter sind nicht gut integriert
  • Ca. 40% der Vietnamesischen Kinder gehen aufs Gymnasium (Link S. 12)
  • In Ostdeutschland sogar 75 Prozent der Vietnamesen
  • Spielen, Herumträumen, Trödeln, Kindergeburtstage besuchen: all das ist verbotene Zeitvergeudung.(Welt)
  • PISA: Deutschlands Musterschüler kommen aus Vietnam (Link)
  • In der Familie wird Vietnamesisch gesprochen

Das waren jetzt ziemlich viele Informationen.

Aber ihr seht schnell in welche Richtung es geht

Ich kam damals in den 90er durch Familiennachzug nach Deutschland, weil die Eltern in den 80er in die DDR einwanderten – wie viele andere auch. Damals wurde ich gleich in die erste Klasse eingeschult, ohne Sprachkenntnisse. Das hatte sich jedoch schnell von “selbst” entwickelt. Meine Eltern brachten mir die ersten Wörter bei und legten sehr viel Wert auf Grammatik. Ich musste diese sehr früh lernen, welches normalerweise erst in der 5. oder 6. Klasse auf dem Plan stand. Artikel, Pronomen, Konjugation – aus Übungsheften / Lehrbüchern – laut vorlesen, abschreiben, schreiben, vorlesen. Die Eltern konnten es nicht besser wissen und wollten, dass wir die Sprache perfekt sprechen. Und nicht wie sie selber.

Meine Eltern waren viel arbeiten, so dass ich zwischen Mittag und Nachmittag eigentlich selbst beschäftigt war. In der Regel war es der Hort bis zum späten Nachmittag. Zu Hause konnte ich “machen, was ich wollte”. Ich habe die Nachbarskinder kennengelernt, die Umgebung unsicher gemacht, sehr viel ferngesehen.

Auch bis zur Sekundarschule waren meine Nachmittage ehrlich gesagt: frei und nicht wie in den Medien berichtet: voll. Herumhängen, trödeln, Kindergeburtstage, ärger machen – stand bei mir an der Tagesordnung, inkl. Computer spielen. Was aber meistens heimlich im Jugendfreizeitzentrum oder bei Freunden geschah.

Meine Eltern haben nur von den Noten und Inhaltsstoff der Schule durch die Tests und Klausuren erfahren. Früher mussten diese von den Eltern unterschrieben werden. Ich war nie ein Muster-Schüler mit 1ern. Wenn ich mit 3er, 4er nach Hause kam, dann gab es natürlich Zoff. Aber außer, dass ich Ansprachen erhielt, passierte nichts; weder Peitschen noch Zwangs-Lernen. Ich musste natürlich Hausaufgaben machen, wobei das meiste die Eltern nicht verstanden, oder gar keine Zeit hatten.

Ich hatte kein gutes Gefühl mit schlechten Noten nach Hause zu kommen, da häufig auch ins Gewissen geredet wurde. Die Eltern arbeiten sehr hart, und meine einzige Aufgabe sei es, gut in der Schule zu sein. Das hat funktioniert. Psychologisch. Aber ich habe dadurch nicht mehr gelernt.

Ich kenne viele in meinem Umkreis, die eine sehr ähnliche Erziehung erhalten haben. Einen gewissen Druck von den Eltern sich mehr in der Schule zu engagieren.

Abitur, Studium – sonst gehst du wie wir Nudeln braten oder auf dem Marktplatz Klamotten verkaufen. Das wirkt schon, wenn man es als Kind häufiger gesagt bekommt.

In dem Blog von Trinh „Dazwischen“ berichtet die Kollegin

“Vietnamesische Kinder haben es nicht leicht. Das Vorurteil stimmt: der Druck der Eltern ist sehr hoch. Man hat das Gefühl ihren Erwartungen nicht zu genügen. Es gibt kein: „Wir sind stolz auf dich“.

Vietnamesische Eltern fällt es enorm schwer Lob auszusprechen. Sie sehen nur das, was verbessert werden muss. Es ist ein ständiges Messen mit Kindern anderer Familien. Und obwohl ich das alles weiß und mir das bewusst ist, komme ich aus dem struggle nicht raus. Ich werde mal Grundschullehrerin. In Vietnam ist das zwar ein angesehener Beruf, aber nicht zu vergleichen mit Medizinern, Ingenieuren und co.”

Dieses nicht “loben” und “anerkennen” – ist etwas – ich würde es bezeichnen als historisch und typisch für Vietnamesen.

Nicht nur in Deutschland, sondern generell. Es geht immer besser.

Aber wenn das Kind tatsächlich sehr gute Noten hat, oder einen angesehen Beruf hat, dann wird richtig gegenüber anderen Vietnamesen angegeben: Unser Kind hat ein Durchschnitt von 1,1 – er hat eine 3 im Sportunterricht. Sonst alles 1er. Unsere Tochter ist Ärztin an der… Unsere Kinder verdienen xxxxx. Gegenüber anderen wird richtig geklotzt und nicht gekleckert. Bei den eigenen Kindern hingegen noch “mehr gefordert”.

„Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung“

Ich würde es so bezeichnen, dass es die Generation von der damaligen Armut noch “gezeichnet” ist. Die Erinnerungen und Erlebnisse der Eltern bestand auch nur darin, in ein anderes Land zu gehen, um durch Fleiß und harte Arbeit sich ein gutes Leben aufbauen zu können. Damals war noch kein Platz für Pädagogik – wie sollte das damals erlernt werden.

Auch in Deutschland ist erst seit dem 8. November 2000 das „Gesetz zur Ächtung der Gewalt in der Erziehung“ in Kraft getreten. Im Gesetz steht es schwarz auf weiß: „Kinder haben ein Recht auf gewaltfreie Erziehung“. Stellt euch mal vor.. 2000 kam das Gesetz erst.

Pädagogik entwickelt sich. Auch bei uns.

Das was den Eltern tatsächlich beigebracht wird, ist Ehrgeiz. Mein Vater sagte damals immer: “Du musst kämpfen, wenn du es erreichen willst.”.

Mittlerweile bin ich auch Familienvater

und versuche – wie jede andere Familie auch – unserem Sohn so viele Aktivitäten wie möglich zu zeigen. Wir besuchen Musikschule, Tanzschule, Theater. Er darf sich ausleben und testen, was ihm tatsächlich Spaß macht. Trotzdem muss er die Sachen aber auch durchziehen. Wie soll er sein Hobby finden, wenn er gleich aufgibt. Aber natürlich darf er wechseln und sich andere Aktivitäten suchen. Wir versuchen mit ihm viel auszuprobieren.

Der Ehrgeiz

Auch ich erkläre ihm, dass wir Eltern viel arbeiten müssen, damit wir uns einen gewissen “Luxus” leisten können. Er lernt also sehr schnell, dass Fleiß und Ehrgeiz wichtig sind. Ob wir das pädagogisch richtig und sinnvoll machen? Ich würde sagen Ja. Er ist ein glückliches und zufriedenes Kind. Ich würde auch behaupten, dass die jetzige Dritte Generation anders erzogen wird. Aber eines bleibt: der Ehrgeiz.

Biografie

Viet Trinh

Hallo, mein Name ist Viet. Ich bin Gründer von Vinplus. Die Marke habe ich gegründet, weil ich Jahre lang für Unternehmen in dem Bereich für Vitamine und Mineralstoffe gearbeitet habe. Ich fand es ungerecht, dass die Produkte zu teuren Preisen verkauft werden, als die Produktkosten tatsächlich sind. Mein vietnamesischer Ehrgeiz hat mir gesagt, dass ich es besser machen kann, und Menschen gute Produkte zu fairen Preisen anbieten soll. Ich würde mich freuen, wenn du mich besuchst und mir eine Nachricht hinterlässt.

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