Da wir immer mehr in einer Generation leben, die sich nicht mehr an die Gesellschaft anpassen, sondern die Gesellschaft für unsere Kinder verändern möchten, ist es mir ein großes Anliegen, die unterschiedlichen Generationen und ihre Erfahrungen zusammen zu bringen.

Daher bin ich sehr stolz auf das folgende Interview mit meiner Schwiegermama, zu den ersten Lebensjahren ihrer Kinder.

Magst Du erzählen, wie Du die Schwangerschaften und Geburten erlebt hast?

Da gibt es schon sehr große Unterschiede von damals zu heute. Das fängt schon in der Schwangerschaft an. Heute gibt es Vorbereitungskurse zur Geburt. Als mein erstes Kind 1953 geboren wurde hat man an so etwas überhaupt noch nicht gedacht.

Dann kam die Geburt. Heute darf der Mann oder Freund dabei sein und seiner Frau die Hand halten und ihr nach Kräften beistehen. Früher wurde der werdende Vater auf den Korridor der Klinik verbannt, wo er dann unter Umständen mehrere Stunden lang aufgeregt und nervös hin und hergelaufen ist.

Wie ging es nach der Geburt weiter?

Mein Baby durfte ich nur einige kurze Augenblicke im Arm halten. Dann wurde es wieder weggebracht auf die Babystation.

Von da an ging alles einen streng geregelten Rhythmus nach der Uhr. Alle 4 Stunden ab morgens früh um sechs Uhr bekam ich mein Baby für eine relativ kurze Zeit zum Stillen. Die letzte Mahlzeit erhielt es um 10 Uhr abends, die erste wieder früh um sechs. Natürlich haben die Babys in der Nacht gebrüllt. Keiner hat sich darum gekümmert. „Das gibt eine gute kräftige Lunge“ wurden wir Muttis damals belehrt.

10 Tage Krankenhausaufenthalt nach der Geburt waren damals normal.

Zu Hause hast du das dann genauso weiter gemacht?

Ich wollte natürlich alles ganz richtig machen. Also ließ ich mein Baby in der Nacht schreien, was wirklich manchmal sehr genervt hat. Und ganz klar, ich war auch unsicher, überhaupt beim ersten Kind. Das Baby mit ins elterliche Bett zu nehmen war streng verpönt.

„Das Baby braucht seine Ruhe“

und

„es könnte erdrückt werden“,

habe ich bei meiner Ausbildung zur Säuglingspflege gelernt. Heute werden die Babys in einem Tragetuch von der Mama getragen. Das Baby außerhalb der 4 Stunden herum zu tragen sollten die Eltern auch nicht machen.

„Davon bekommt es einen krummen Rücken, außerdem wird es damit verwöhnt“.

Pampers gab es damals auch nicht. Die Babys wurden zu einem richtigen kleinen Bündel in eine Mullwindel und in ein Moltontuch gepackt. Strampeln ging da keinesfalls.

Wie lief das Trocken werden deines Kindes damals ab?

Als mein Baby sitzen konnte, durfte es sich in einem Laufstall beschäftigen, meist mit Holzbauklötzen.

Und da es keine Pampers gab, die man einfach wegwerfen konnte bemühte man sich – abwechselnd mit Papa – das Baby möglichst schnell „stubenrein“ zu bekommen. Es wurde also schon recht frühzeitig auf’s Töpfchen gesetzt. Dann setzte man sich selbst davor und zeigte dem Baby durch eigenes Drücken, was es machen sollte. Es war eine mühselige und langwierige Prozedur, bis die Bemühungen endlich von Erfolg gekrönt waren. Immerhin waren alle meine Kinder mit 2 Jahren dann schon „sauber“, was eine Erleichterung war. Denn es war kein so großes Vergnügen, die Windeln zu kochen und wieder sauber zu kriegen. Und das täglich.

Das Baby wurde nach der Uhrzeit gefüttert- war das beim Zubettbringen genauso?

Mit 4 Jahren gingen meine Kinder in den Kindergarten, allerdings nur vormittags. Mittagessen gab es zu Hause, und zwar nicht aus dem Gläschen, sondern alles wurde von Hand verarbeitet und gekocht. Mittagsschlaf war obligatorisch, und abends lagen die Kinder spätestens um 20 Uhr in ihren Bettchen, wo ich ihnen jeden Abend alle möglichen Schlaflieder gesungen habe, bis ihnen die Äuglein zugefallen sind.

Heute, so habe ich festgestellt, „tanzen“ die Kleinen noch spät abends durch die Gegend. Das war früher undenkbar.

„Kinder werden quengelig und nervös, wenn sie nicht beizeiten ins Bett kommen“, wurde uns eingebläut.

Das waren so die ersten Lebensjahre.

Wenn es Euch interessiert, wie es mit der Erziehung damals weitergegangen ist, als die Kinder größer wurden, ihren eigenen Kopf hatten, Entscheidungen ob impfen oder nicht etc. etc. schreibe ich auch darüber gern.

Das würde an dieser Stelle heute zu weit führen.

 

Ich wünsche Euch und Euren Lieblingen alles Gute.

Edith Kühn

Edith Kühn wurde im Dezember 1928 in Mannheim geboren. Dort wuchs sie auch die ersten Jahre ihres Lebens auf. Es folgten 6 Jahre Pensionat (Internat für Mädchen) in St. Blasien / Schwarzwald. Anschließend lebte sie in Stuttgart und danach in Frankfurt. Wo sie am Dr. Hoch´s Konservatorium ihre Reifeprüfung zur Konzertpianistin ablegte.

Sie war sehr viel auf Reisen, gab viele Konzerte im In- und Ausland als Chorleiterin und Pianistin.

Studium der Musik und Ausbildung zur Konzertpianistin

Studium der buddhistischen Philosophie

Studium Journalismus und Belletristik

Studienkurse absolvierte sie in Japan, Tokyo, Kyoto und in Trets / Frankreich.

Seit 23 Jahren lebt sie in Spanien an der Costa Blanca und arbeitet heute noch als Lektorin und Kolumnistin bei der führenden deutschsprachigen Zeitung.

Ein besonderes Anliegen war ihr stets die Beobachtung von Menschen und Tieren. Viele Begebenheiten hat sie festgehalten und niedergeschrieben.

 

Edith hat drei Kinder, fünf Enkel und ist seit 12 Jahren meine Schwiegermama. Am 3. Juni 2020 trat sie ihre letzte Reise an.


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17 Antworten zu „Die ersten Lebensjahre”.

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  2. […] Deutschland inkludiert wurden, doch meine Herkunft als solches, das Land, in dem ich geboren wurde, die ersten Jahre meines Lebens verbracht und sprechen gelernt habe, existiert nicht mehr. Ich kann nicht mal eben so in das Land […]

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