Patchworkfamilie

  1. Magst du uns einen kleinen Einblick in deine Familie geben (Familienmitglieder, Alter)?

Liebe Maria, das mache ich sehr gerne! Ich freue mich über diese Möglichkeit, deine Seite, auf der es ja allgemein um Kommunikation auf Augenhöhe geht, um meine spezifische Perspektive, wie eine wertschätzende Kommunikation in einer Patchwork-Konstellation gelingen kann, zu ergänzen.

 

Zu unserer Familie gehören mein Mann und drei Kinder. Ich sage gern “zwei Bauchkinder und ein Bonuskind”. Die beiden Mädchen sind 5 und 4 Jahre alt, der Große ist gerade 10 geworden. Außerdem spielt in dem Gefüge immer auch die Kindsmutter eine Rolle.

 

 

  1. Wie und wo hast du deinen Mann kennengelernt?
  2. Konntest du dir direkt vorstellen mit ihm in eine Beziehung zu gehen?

Ich habe meinen Mann über einen gemeinsamen Freund kennengelernt. Der sagte eines Tages: “Hey, Marita, hast du schon gehört: Matthias ist wieder Single!” Meine erste Reaktion war: “Na und? Der ist doch viel zu alt für mich und außerdem hat er schon ein Kind!” Ich fand den Gedanken absurd, dass ein acht Jahre älterer Mann, noch schlimmer: Vater eines kleinen Jungen, überhaupt für mich in Frage käme. In den folgenden Wochen trafen wir uns häufiger. Wir schickten uns tagsüber immer wieder Emails, verabredeten uns zum Kochen, teilten die kleinen Sorgen des Arbeitsalltags miteinander. Er half mir, einen neuen Schrank in meiner Wohnung aufzubauen, las meine Lieblingsbücher und interessierte sich für meine Hobbys. Ständig tauchte in meinem Kopf die Frage auf: “Was soll dieser Mann mit Kind in meinem Leben? Warum wurde er mir geschickt?” Und eines Tages hatte ich die Antwort glasklar vor mir: Ich stelle die falsche Frage! Nicht Matthias wurde mir geschickt, sondern ich ihm. Ich soll in seinem Leben sein und in dem Leben seines Sohnes. Diese Erkenntnis war für mich immer die Basis unserer Beziehung.

 

  1. Wie waren deine Gedanken / Ängste gegenüber seinem Sohn?

Ich hatte mir zu diesem Zeitpunkt ehrlich gesagt noch wenig Gedanken darüber gemacht, wie das Zusammentreffen mit seinem Sohn sein würde. Ich war so sehr mit unserem Verliebtsein und den Anfängen der Beziehung beschäftigt, dass ich den Sohn zwar im Hinterkopf als Teil des Ganzen akzeptierte, aber mich nicht bewusst damit auseinandersetzte. Ich war überzeugt, dass das alles schon klappen würde, weil wir als Basis unsere Liebe und diese Gewissheit meiner Vision hatten, dass das genauso sein soll. Ich hatte es als Aufgabe in meinem Leben akzeptiert, zu Matthias und seinem Sohn zu stehen, und war überzeugt, dass ich auch die nötigen Fähigkeiten dafür schon irgendwie bekommen würde.

 

Als ich meinen Bonussohn zum ersten Mal kennenlernte, war er erst anderthalb Jahre alt. Die Anfangszeit war sehr hart. Als kinderlose Stiefmutter wurde ich ja ohne Erfahrung, ohne die Vorbereitungszeit einer Schwangerschaft, ohne Hormone und Mutterinstinkte mit einem kleinen Kind konfrontiert. Ich war zunächst unsicher, wie viel ich mich überhaupt in seine Erziehung einbringen sollte. Ich fragte mich: Ich bin einfach nicht die echte Mama. Werde ich je eine gute Beziehung zu meinem Bonuskind aufbauen können? In dieser Hinsicht war es vielleicht gut, dass Tom noch so klein war, denn in seiner Erinnerung gehöre ich immer schon zum Papa dazu.

 

  1. Wolltest du eigene Kinder haben?

Ja, schon immer. In der Phase nach unserer Hochzeit, als wir gemeinsame Kinder planten, kamen in mir Fragen auf wie: Die Erfahrungen mit Schwangerschaft und Geburt hat er alle schon einmal mit ihr gemacht. Ist das mit mir dann überhaupt noch etwas Besonderes? Ihn verbindet so viel mehr mit seiner Ex als mit mir, immerhin hat er “Familie” mit ihr. Sollten wir jemals ein Kind bekommen, wird er es dann genauso lieb haben oder stehen wir immer auf Platz 2? Aber das hat mich nicht davon abgehalten, es dennoch zu wagen. Mit relativ kurzen Abstand zueinander haben wir 2012 und 2013 zwei Töchter bekommen.

 

  1. Gibt es eine klare Regelung, wann die Kinder bei euch und wann bei dem anderen Elternteil leben?

Ja, die gibt es. Das sorgt für eine gewisse Routine und Planbarkeit. Im letzten Jahr gab es einen Umbruch. Tom ist im Sommer 2017 zu uns gezogen. Seitdem ist er jedes zweite Wochenende bei seiner Mutter, die Ferien teilen wir hälftig. Also genau andersrum als es in den Jahren vorher war. Das Verhältnis mit seiner Mutter ist so entspannt, dass es ohne Probleme immer mal möglich, Wochenenden zu tauschen oder bei Terminen gegenseitig einzuspringen. Manchmal vermisst Tom seine Mama, dann bringen wir ihn an dem Wochenende dazwischen zusätzlich zu ihr, wenn es passt.

 

  1. Welche Vor- / Nachteile ergeben sich in eurer Patchworkfamilie?

Der größte Vorteil aus Kindersicht sind die Geschwister, das war auch einer der Gründe für seinen Umzug. Es ist schön zu sehen, dass sie sich lieb haben und so viel voneinander lernen – auch und gerade bei Konflikten.

Die Absprachen mit der Kindsmutter funktionieren mittlerweile ja sehr gut. Daher ist es schon ein Vorteil, die Schließzeiten vom Hort gemeinsam abzudecken. Und ein Wochenende mit “nur” zwei Kindern ist zwischendurch auch mal sehr entspannt.

Als Herausforderung sehe ich die unterschiedlichen Erziehungsansätze bei uns und bei ihr. Allerdings können sich Kinder im Allgemeinen gut auf unterschiedliche Regeln in einem anderen Umfeld einstellen, das ist ja in der Schule oder im Sportverein auch so.

 

  1. Welche täglichen Herausforderungen meisterst du als Patchworkmama?

Im Alltagsleben unterscheiden sich meine Herausforderungen nicht sehr von denen anderer Mütter. Schule, Hausaufgaben, Terminorganisation, Streitigkeiten unter den Geschwistern – der ganz normale Wahnsinn eben. Besonders ist teilweise der Sonntagabend, wenn Tom von seiner Mutter zurückkommt. Dann braucht er viel Verständnis und Hilfe dabei, umzuschalten und hier wieder anzukommen.

 

  1. Welche Stärken hast du?

Ich habe gelernt, gut für mich selbst zu sorgen. Ich merke, wenn mein Tank zur Neige geht und ich anfange, gereizt zu reagieren. Dann nehme ich mir die Zeit für eine kurze Pause, in der ich mir selbst Empathie gebe und schaue, was ich gerade brauche und wie ich das kurzfristig erreichen kann. Dazu habe ich übrigens auch ein Arbeitsblatt entwickelt “Mein Glas der Selbstfürsorge”. Du bekommst es bei der Newsletter-Anmeldung auf meinem Blog “Patchwork auf Augenhöhe”.

 

  1. Welche Stärken haben deine Kinder?

Das ist eine interessante Frage! Da ich nichts vom Loben halte, sondern versuche anzunehmen was ist und das Verhalten der Kinder zu beobachten, ohne es zu bewerten, habe ich mir über ihre Stärken bisher noch keine Gedanken gemacht.

 

Der Große ist ein Tüftler, ausgestattet mit einer großen Entdeckerlust. Er will alles erforschen und lässt nicht locker, bis er herausgefunden hat, dass die Schere auch Jeans zerschneidet, dass man mit dem Bleistift die Pinnwand durchstechen kann und dass mit ganz viel Flüssigseife die Autos prima auf der Anti-Rutsch-Matte in der Badewanne fahren. Die Mädchen bewundern ihren großen Bruder sehr und gucken sich viel von ihm ab – leider führt sein Verhalten in der Schule eher zu Problemen.

 

Die Mittlere überrascht mich immer wieder mit ihren schlauen Fragen. “Wieso bekommt ein Baby rote Haare, wenn die Mutter auch rote Haare hat?” Oder als sie krank war: “Woher hat denn der erste Mensch die Krankheit bekommen? Der konnte sich doch bei niemandem anstecken.” Sie hat ein Gespür für schöne Dinge und dekoriert leidenschaftlich gern z.B. den Esstisch mit Servietten oder richtet stundenlang ihr Puppenhaus detailverliebt ein.

 

Die Kleinste ist ein Wirbelwind, sie sprudelt und singt, kreischt und lacht den ganzen Tag. Ich liebe ihre unbändige Lebensfreude und die Intensität ihrer Gefühle – auch wenn das manchmal ganz schön anstrengend sein kann.

 

  1. Hast du unterschiedliche Gefühle gegenüber den Kindern?

Ich habe alle drei Kinder lieb, bedingungslos, jedes auf seine Art. Anna, die kleinste, ist überschwänglich: “Ich hab dich lieb bis zum Mond, nein bis zum Weltall, das ist hinter dem Mond, weißt du?!” Meine Große ist eher ruhig. Sie findet: “Du bist die liebste Mama auf der Welt.” Und Tom? Der sagt: “Ich mag dich.” Wie eine Feststellung, aber eine wichtige, die mir direkt ins Herz geht. Wenn sein Verhalten herausfordernd ist, sehe ich den kleinen Kerl, der in ihm drin steckt. Und den habe ich immer gleich dolle lieb. Ich erinnere mich dabei an die Sache mit dem CD-Player. Darüber habe ich auch mal gebloggt.

 

  1. Gerade für nicht-biologische Kinder kommt gelegentlich das Gefühl der Benachteiligung gegenüber den biologischen Kindern auf. Wie löst du / diesen Konflikt?

Das war bei uns jetzt noch nie Thema. Sollte das mal aufkommen, werde ich mit den Kindern offen darüber sprechen.

 

  1. Wie gestaltet ihr die Feiertage (Weihnachten, Geburtstage der Kinder) und Ferien?

Die Ferien haben wir, wie gesagt, hälftig geteilt. Die Aufteilung der Wochen richtet sich nach den Öffnungszeiten im Hort und der jeweiligen Urlaubsplanung. Den Geburtstag verbringt Tom da, wo er gerade ist. Da sein Geburtstag in den Ferienwochen bei seiner Mama lag, haben wir ihn dann mit Kuchen und Geschenken bei seiner Rückkehr begrüßt, und natürlich feiert er mit seinen Schulfreunden noch nach. Weihnachten war bisher im jährlichen Wechsel bei uns oder bei ihr. Für dieses Jahr haben wir es noch nicht abschließend besprochen.

 

  1. Welche Tipps kannst du aus eigener Erfahrung an Patchworkfamilien weitergeben?

Meiner eigenen Umfrage nach ist der am häufigsten genannte Problembereich in Patchworkfamilien bei über 90% der Kontakt zur Kindsmutter. Da sind viele so negative Gedanken und Gefühle lebendig – Hass, Neid, Eifersucht, Vorwürfe, Schuld, Verletzungen – dass ein wertschätzender Umgang nicht möglich ist. Der erste Schritt für ein Umdenken ist meiner Erfahrung nach das liebevolle Menschenbild aus der Gewaltfreien Kommunikation: “Jede Handlung von jedem Menschen dient dazu, sich ein Bedürfnis zu erfüllen und jeder Mensch handelt zu jedem Zeitpunkt so gut, wie er es aufgrund seiner Lebenserfahrung vermag.” Bewertet man die Motive seines Gegenüber negativ („Sie tut das aus Neid/ um mir zu schaden“), geht der andere automatisch in eine Verteidigungshaltung. Auf der Ebene der Bedürfnisse hingegen ist Verbindung möglich. Fang bei dir selbst an. Statt dich als Opfer der Umstände oder der “gemeinen” Ex zu sehen, übernimm Verantwortung für deine Gefühle. Auf dieser Basis entstehen tragfähige authentische Beziehungen, und lassen sich Konflikte gewaltfrei lösen.

 

Wertschätzende Kommunikation zu erlernen ist ein langer Weg – gern begleite ich dich und deine Familie dabei. Ich freue mich auf dich!

 

Marita Strubelt ist Mutter, Stiefmutter und Familiencoach. Auf ihrem Blog “Patchwork auf Augenhöhe” schreibt sie über ihre kunterbunte Patchworkfamilie. Sie unterstützt Stiefmütter und Patchworker dabei, wertschätzend mit allen Beteiligten umzugehen und ihre Kommunikation zu verbessern. Außerdem hat sie eine Facebookgruppe, in der sie Tipps für ein harmonisches und glückliches Familienleben gibt. Marita ist verheiratet, hat zwei Bauchtöchter und einen Bonussohn.

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