Able? Was?

Ableismus ist das Fachwort für die ungerechtfertigte Ungleichbehandlung („Diskriminierung“) wegen einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung oder aufgrund von Lernschwierigkeiten. (https://www.teilhabeberatung.de/woerterbuch/ableismus)

„Du bist nicht behindert!“

„Das geht aber erst ab 50% GdB!“

„Stell dich nicht so an!“

„So hell ist es doch gar nicht!“

„Andere können das auch!“

„Soll ich dir das abnehmen?“

„Mit dir haben wir die Behindertenquote erfüllt!“

Nicole Isermann hat zu einer Blogparade zum Thema „deutsche Sprache“ aufgerufen, bei der ich beim ersten Lesen des Titels an bestimmte Worte gedacht habe, die mich in der Sprache / Kommunikation mit anderen stören. Doch nach mehrmaligen Lesen des Titels dachte ich an meinen Alltag und die Sätze, mit denen ich als Mensch mit einem Schwerbehindertenausweis konfrontiert bin und möchte dich lieber Mensch, der diesen / meinen Blogartikel zu der Blogparade gerade liest, in Bezug auf deine Sprache sensibilisieren.

Inklusion

Wir sprechen alle von Individualität, aber wehe der Mensch ist anders.

Wir sprechen alle von Inklusion, aber wehe der Mensch ist mein Arbeitskollege. Und ich bin direkt mit Behinderung konfrontiert.

Sehr treffend formulierte es Theresia Friesinger in ihrem Empathie- und Resilienztrainer Modul 5, Lektion 5 Systemtheorie nach Luhmann (diese Weiterbildung absolviere ich gerade):

Doch Inklusion und die notwendige inklusive Sprache mit den inklusiven Werten ist systemisch nicht gewollt. Menschen proklamieren die Inklusion, doch umsetzen wollen sie sie kaum und schieben die sogenannte „Schuld“ auf das System. Das ist einfach, weil das System nur selten konkret personalisiert (jemand übernimmt Verantwortung) werden kann.

Wie sieht für dich ein behinderter Mensch aus?

Und wie sprichst du mit diesem?

Wo ist für dich der Unterschied zu einem gesunden Menschen?

7 Antworten zu „Ableistische Sprache”.

  1. Vielen Dank Maria für deinen Artikel und für den Denkanstoß. Ich finde, dass dieses Thema ein sehr vielschichtiges, facettenreiches aber auch problematisches Thema ist. Bedingt dadurch, dass die Sprache an sich etwas furchtbar komplexes und wandelbares ist. Selbstverständlich muss man denken, bevor man redet, und Diplomatie ist nicht jedermanns Stärke. Allerdings kommt es im Bereich der Kommunikation ja immer darauf an, wer Sender und wer Empfänger ist, und wie das, was der Sender abgibt, beim Empfänger ankommt. In der Semiotik wird hierzu geforscht, ich finde das Thema super interessant. Das Problem hierbei ist, dass eine Aussage für den einen Empfänger überhaupt kein Problem sein kann, während der nächste Empfänger sich davon persönlich angegriffen fühlt. Ich hab dazu zwei persönliche Beispiele:
    (1) Ich hatte abends an der Kasse im McD gestanden, als eine Gruppe Jugendlicher reinkam, um etwas zu bestellen. Ich habe die Gruppe freundlich bedient, aber als ich die Getränke abfüllte, hat einer der Jungs wohl „Blöde F#“ zu mir gesagt, so leise, dass ich selber es nicht gehört habe, mein Kollege aber schon. Ende vom Lied war, dass mein Schichtführer die Polizei rief und ich genötigt wurde, eine Anzeige zu erstatten, weil mein Schichtführer der Meinung war, dass ich mich nicht beleidigen lassen dürfe. Der Punkt war: ich war nicht beleidigt. Ich kannte diesen jungen Mann doch gar nicht, und er mich nicht. Hätte ich es gehört, hätte ich vermutlich zu ihm gesagt, dass man so etwas nicht zu anderen Menschen sagt, wenn man gut erzogen ist und von den Menschen mit Respekt behandelt werden möchte. Was ich sagen will ist, ich entscheide doch selber, ob mich etwas beleidigt, ob ich etwas so persönlich an mich heranlasse, dass es mich runterzieht. Ich lasse mich nicht von den Aussagen fremder Menschen, die mich nicht kennen, beleidigen.
    (2) Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich bin, dann sage ich entweder Biologe, Dozent oder Vertriebler. Stimmt beides, kommt halt drauf an, wer fragt. Ich fand für mich persönlich die weibliche Form zu lang und umständlich. Und wenn jemand „die Biologen“ sagt, sehe ich auch nicht eine rein männliche Gruppe vor mir. Das ist einfach meine persönliche Einstellung.
    Und deine oben gepostete Frage „Soll ich dir das abnehmen?“ würde ich vermutlich in ähnlicher Weise auch zu einem Kollegen sagen, wenn der Anlass passt, unabhängig davon, ob er nun in irgendeiner Weise eingeschränkt ist, oder nicht. Ich finde es einfach höflich, anderen meine Hilfe anzubieten.
    In jedem Fall liegt es am Sender, WIE er etwas formuliert und vor allem, WELCHE INTENSION dahintersteckt. Man kann, wenn man es drauf anlegt, jedem das Wort im Munde herumdrehen und eine noch so nett gemeinte Frage so interpretieren, dass man sich davon beleidigt fühlen kann. Am Ende liegt es am Empfänger, wie er die Message, die er empfängt, interpretiert. Und das hängt von der eigenen inneren Einstellung ab. Mein Mann sagt immer, ich sei ein treudoofes Schaf, weil ich in jedem Menschen das Gute sehe. Stimmt ein Stück weit vermutlich auch. Aber aus diesem Grund sage ich bestimmt auch oftmals Dinge, die der andere, der mich nicht kennt, in den falschen Hals bekommen kann. Und wenn jemand etwas abwertend oder verletzend meint, dann ist am Ende egal, welche Worte er dafür verwendet.
    Lange Rede, kurzer Sinn: Wir sind keine Maschinen, so dass unsere eigene Lebenserfahrung und Voreingenommenheit einen großen Einfluss darauf hat, wie wir etwas interpretieren, was zu uns gesagt wird. Ich kann etwas als lieb gemeintes Angebot von Hilfe sehen, oder als Herabsetzung meiner eigenen Fähigkeiten verstehen, es liegt an mir. Und falls jemand mich tatsächlich und unmissverständlich offen verbal angreift und versucht zu beleidigen, liegt es an mir selbst, ob ich es zulasse, dass die Worte mich treffen. Waffen verletzen mich auf jeden Fall, Worte nur, wenn ich sie lasse.

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    1. Ich glaube, dass es Worte gibt, die dich auch verletzen würden, obwohl du es nicht zulässt.
      Das Ganze geht dann in Richtung einer Straftat, die der Beleidigung.

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  2. […] Noch immer haben wir in Deutschland eine Kultur der versuchten Integration. […]

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