Sprache ist mehr als Sprechen.
Sprache ist Beziehung, Denken, Weltaneignung.
Sprache ist der Schlüssel zu allen Lebensbereichen.

Sprache ist ganzheitlich

Kinder lernen Sprache nicht durch „Drill“ oder durch isolierte Übungen, sondern durch Tun, Fühlen, Erleben.
Eine wirklich wirksame Sprachförderung greift nicht nur auf den Mundraum zu,
sondern auf den ganzen Körper, alle Sinne und die emotionale Welt des Kindes.
Sie beginnt bei der Geburt, entfaltet sich im Alltag und erreicht ihre Tiefe, wenn sie sinnlich erfahrbar gemacht wird.
Auch steht sie in Wechselwirkung mit anderen Entwicklungsbereichen:
Entwicklungsbereich Bedeutung für Sprache
Kognition Sprachverständnis, Begriffsbildung, Denkstrukturen
Motorik (Fein & Grob) Artikulation, Mundmotorik, Gestik, Schriftsprachvorbereitung
Sozial-emotional Kommunikationsmotivation, Rollenverständnis, Beziehungsfähigkeit
Wahrnehmung Hören, Sehen, Fühlen – Sprache muss aufgenommen und differenziert werden können

Für unsere Kinder ist die Sprache Werkzeug und Brücke zugleich.
Sie ermöglicht ihnen die Aneignung von Wissen, Erkenntnissen und Einsichten, so dass aus lernenden Kindern bewusste Erwachsene werden, die sich in der Welt von morgen zurechtfinden und sie bewusst gestalten können.

Endlich kann mein Kind sprechen

Was war das erste Wort deines Kindes?
Wahrscheinlich konntest du diese Frage wie aus der Pistole heraus ganz schnell beantworten, da du dich zum einen mit stolz daran erinnerst und zum anderen hast du genau auf diesen Moment hingefiebert.

Bis zu diesem Zeitpunkt hat sich dein Baby durch Schreien, Mimik und Körpersprache auf sich aufmerksam gemacht.
Und jetzt plötzlich tritt es mit Worten in Kontakt zu seiner Umwelt, benennt Personen, Gegenstände, seine Gefühle (als Baby non- verbal).
Dieses kann sowohl verbal als auch in Gebärdensprache geschehen.

Verlauf der Sprachentwicklung

Im Verlauf der Sprachentwicklung sind große individuelle Unterschiede (wie in allen anderen Bereichen auch) bei Kindern im Hinblick auf die Geschwindigkeit der Entwicklung des Wortschatzes, der Aussprache und der Satzbildungsfähigkeit zu beobachten.
Entscheidend für die Sprachentwicklung sind die Anregungen durch das Umfeld des Kindes und die Motivation zum Sprechenlernen.
Dieses geschieht über das Hören, das Verstehen und das Anwendenkönnen der Sprache.

Auch gibt uns die Sprache die Möglichkeit, unsere Gefühle und Emotionen auszudrücken, in dem wir diese, über die Stimmlage und Lautstärke sowie über die Betonung unseres Gesprochenen, konkret benennen und sie somit anderen mitteilen können.

Sprachförderung nach Lebensalter und Sinneszugang

Schon Babys sind in der Lage sehr früh auf soziale Beziehungen zu reagieren und diese nachzuahmen, so dass sie in den ersten Lebensjahren die Muttersprache sowohl verstehen als auch sprechen lernen.
Mit sechs Jahren beherrschen die meisten Kinder die Elemente und Strukturen ihrer Sprache weitgehend, so dass der Spracherwerb im Wesentlichen abgeschlossen ist und sie somit über die sprachlichen Mittel verfügen, differenziert über sich und ihre Welt mit anderen Menschen zu kommunizieren.

0 – 1 Jahr: Die Welt mit Ohren und Haut entdecken

Die Sprachentwicklung beginnt vor dem ersten Wort

  • Auditiv: Stimme hören, Sprachmelodie unterscheiden
  • Taktil / vestibulär: Nähe, Rhythmus, Wiegen als sprachliche Grunderfahrungen
  • Visuell: Mimik lesen, Lippenbewegungen verfolgen

Begleitung:

  • Singen, Summen, Reimen
  • Blickkontakt und Mimikspiel
  • Eltern – Kind – Gespräche beim Wickeln („Jetzt zieh ich dir die Hose an… schau mal…“)
  • Fingerspiele, Berührungslieder („Das ist der Daumen…“)

Hier entsteht: Sprachbindung. Sicherheit und Bindung, welche die Grundlagen für spätere sprachliche Offenheit bilden.

1–3 Jahre: Sprache läuft auf allen Wegen

Biete die Umwelt jetzt sinnliche und alltagsnahe Anlässe, „explodiert“ jetzt die Sprache.

  • Motorik + Sprache: Kinder sprechen, während sie handeln („Ball!“ – und werfen)
  • Hören + Bewegung: Laute werden differenziert über Rhythmik, Reime, Musik
  • Sehen + Symbolspiel: Rollenspiele, Bilderbücher, „So tun als ob“

👁️👃🖐️ Förderimpulse:

  • Alltagsbegleitung mit Sprache („Jetzt rühren wir den Teig… mhh riechst du das?“)
  • Bewegungsreime und Rhythmik (z. B. Kniereiter, Musikspiele)
  • Dinge benennen, beschreiben, erweitern („Ja, das ist ein Laster – ein großer, grüner Lastwagen!“)

👉 Wichtig: Sprache entsteht im Dialog, nicht im Abfragen. Keine Sprachdrillübungen – sondern echter Austausch.


3. 3–4 Jahre: Geschichten spinnen, Rollen erproben

Jetzt entstehen komplexe Satzgefüge, erste Erzählstrukturen, Fantasiespiele.

  • Hören + Erinnern: Geschichten erfassen, Reihenfolgen verstehen
  • Tasten + Bauen: Sprache wird ins Spiel integriert („Ich bau eine Rakete, die fliegt zu Mars…“)
  • Sozialer Sinn: Sprache wird Aushandlungsmedium – wer darf was sein, was passiert?

🎭 Förderimpulse:

  • Rollenspielräume, Verkleidungen, Requisiten
  • Erzählanlässe im Alltag („Was war heute dein Lieblingsmoment?“)
  • Erzählsäckchen, Fühlmemory mit Beschreibung („Was fühlst du? Es ist rund… weich…“)

👉 Jetzt braucht es: Beziehungsvolle Begleitung und echten Zuhörraum. Keine Korrektur, sondern aktives Interesse.


4. 5–6 Jahre: Sprache wird differenziert, Denken vernetzt

Das Vorschulalter ist der Übergang ins metasprachliche Denken: Kinder reflektieren über Sprache, entdecken Schrift, analysieren Begriffe.

  • Visuell + auditiv: Lauschspiele, Silbenklatschen, Buchstaben entdecken
  • Kinästhetisch: Nachzeichnen, Nachspuren, erste Schreibbewegungen
  • Kognitiv: Begriffe sortieren, vergleichen, erklären

✏️📚 Förderimpulse:

  • Lauschspiele („Was reimt sich auf…?“), Anlautspiele
  • Sprachdetektiv-Spiele („Finde etwas, das mit B beginnt!“)
  • Bildergeschichten, Bildkarten-Storys, Comic-Erzählen
  • Reime und Sprachspiele aus dem Alltag („Zähne putzen, Hände waschen, alle Kinder schlafen…“)

👉 Ziel ist nicht: Frühförderung fürs Schreiben. Sondern: Freude am sprachlichen Tun – mit allen Sinnen.

Die Sinne – Türöffner zur Sprache

Jeder Sinn ist eine Sprachbrücke. Eine Sprache, die den Körper mit einbezieht, bleibt haften – emotional und kognitiv.

Sinn Beispiel für Sprachförderung
Hören (auditiv) Reime, Lauschspiele, Musik, Rhythmik
Sehen (visuell) Bilderbücher, Mimikspiele, Symbolkarten
Fühlen (taktil) Fühlkisten, Barfußpfade, Materialbeschreibung
Bewegen (vestibulär) Kniereiter, Tanzen, rhythmisches Gehen zu Versen
Riechen/Schmecken Kochen, Backen, Essen beschreiben, „Was riechst du da?“
Tasten (kinästhetisch) Malen im Sand, Buchstaben mit Fingern nachspuren

👉 Die Integration der Sinne sorgt für:

  • Tiefere Gedächtnisanker
  • Ganzheitliche Sprachvernetzung
  • Körperlich-emotionale Beteiligung

🌱 IV. Was Sprache wirklich wachsen lässt

🔹 Beziehung

Kinder sprechen dort gern, wo sie sich sicher fühlen. Sprachförderung ist kein Sprachtraining, sondern Beziehungsarbeit.

🔹 Zeit

Sprache braucht Wiederholung, Geduld, offene Fragen – keine „Durchlauferhitzer“. Kinder entwickeln Sprache in ihrem Tempo.

🔹 Vorbild

Erwachsene, die klar, lebendig, zugewandt sprechen, bieten mehr als tausend Sprachspiele.

🔹 Alltag

Echtes Tun schlägt künstliche Settings. Beim Kochen, Waschen, Spielen, Wickeln entstehen die besten Sprachanlässe.

Der Gebrauch der Sprache

Das Kind entdeckt, dass der Gebrauch der Sprache vieles einfacher macht. Ob zu Hause, im Kindergarten / Schule, die meisten Kinder sprechen sehr gerne und viel. Durch den regen Austausch mit anderen bekommt auch das Sozialverhalten einen wichtigen Impuls. Nun kann es selbst sagen, was es möchte, und besser auf andere reagieren.

Kinder entdecken ihre Welt mit Fragen

Sie sind ständig auf der Suche danach, Vertrautes, Neues, Anderes oder Fremdes verstehen zu wollen. Dabei begegnen sie den unterschiedlichsten Wortschätzen. Besonders wirksam lernen sie, wenn das Entdecken von Wörtern und die Wortschatzarbeit eng mit ihren aktuellen Themen und Lerninhalten verbunden wird, die für sie wichtig und bedeutsam sind. In einem solchen gemeinsamen Tun und Erleben wie auch im Umgang mit Texten und Bildern erkunden Kinder viele Lebensbereiche– Alltag und Feiertag, Wind und Wetter, Pflanzen und Tiere, die Welt von gestern, heute und morgen.

Zur Sprachförderung gehören die Wortschatzerweiterung, die Entwicklung der Satzbildungsfähigkeit (grammatische Kompetenz), sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, Sprache sinnvoll einzusetzen und zu nutzen (kommunikative Kompetenz). Defizite in der Kommunikation sind meistens entwicklungsbedingt und nehmen bei zunehmendem Alter ab.

Wortschatzerweiterung bedeutet daher vor allem geplante Erlebniserweiterung. Du kannst dir schon im Vorfeld überlegen, welche Begriffe bei der geplanten Aktion eine Rolle spielen könnten.

Die Förderung der Satzbildungsfähigkeit erfolgt durch verbale Kontaktaufnahme. Es kommt darauf an, Situationen zu schaffen und zu nutzen, in denen das Kind etwas mitteilt: Beschreiben, was es gerade sieht, erklären, wie etwas funktioniert, sich etwas wünschen …

Die Förderung der kommunikativen Kompetenz geschieht am intensivsten und leichtesten im sozialen Rollenspiel, z. B. beim Essen: angefangen über das Gespräch, welches Essen gekocht, welche Zutaten eingekauft und wie es zubereitet wird bis hin zu Tischgesprächen. In vielen Fällen wird ein relativ stummes Spiel (Puppe wird aus- und angezogen) zu einem sozialen Rollenspiel ausgebaut (Puppe ist müde. Mama geht mit ihr ins Bad zum umziehen, Zähne putzen. Sie wird ins Bett gebracht. Eine Geschichte wird ihr vorgelesen …)

Sprache fördern heißt, Kinder ganzheitlich ernst nehmen

Sprache ist kein Fach – sie ist eine Lebensform.
Wer Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung begleiten will, braucht keine Listen mit Förderwörtern, sondern einen wachen Blick, offene Ohren und eine echte Beziehung.
Die Sinne sind dabei keine Nebensache – sie sind das Tor zur Welt.

Sprache ist nicht nur im Kopf. Sie ist auf der Zunge, in den Fingern, unter den Füßen – und vor allem: im Herzen.

 

 


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