„Schön, dass es dich gibt.“
Ein Satz, der schnell gesagt ist.
Jedoch selten wirklich tief gemeint wird.

Besonders dann nicht, wenn es um Menschen geht, die nicht in die gesellschaftliche „Norm“ passen.
Menschen, deren Alltag von Reizoffenheit, innerem Chaos, Impulsivität, Vergesslichkeit oder scheinbarer Unstrukturiertheit geprägt ist.
Kurz gesagt: Menschen mit ADHS.

Während neurotypische Menschen oft Anerkennung für Leistung, Struktur oder Anpassung erhalten, erleben neurodivergente Menschen häufig das Gegenteil: Bewertung, Korrektur, Missverständnisse.
Ihr Wert wird oft an „Funktionieren“ gekoppelt!
Nicht jedoch an ihr bloßes Dasein!

Was der Satz „Schön, dass es dich gibt“ bedeuten kann, wenn er ehrlich, bewusst und barrierefrei ausgesprochen wird und warum echte Wertschätzung, jenseits von Effizienz, für Menschen mit ADHS überlebenswichtig ist, zeigt dir der folgende Artikel, der in der 57. Blognacht von Anna, und damit mein 499. Blogartikel ist, entstanden ist.

ADHS: Mehr als eine Diagnose

ADHS ist keine Modediagnose und auch keine Ausrede für schwieriges Verhalten.
Es ist eine neurobiologische Funktionsweise, bei der u. a. die Regulation von Aufmerksamkeit, Impulsen und Emotionen anders verläuft als bei neurotypischen Menschen, was sich oft in:

  • sprunghaften Gedanken,
  • emotionaler Überflutung,
  • Reizempfindlichkeit,
  • Organisationsproblemen,
  • dem sozialen Rückzug trotz Beziehungswunsch
  • und vor allem: chronischem Selbstzweifel

äußert.

Dieser „Andersartigkeit“ sind sich viele ADHS – Betroffenen schon seit ihrer Kindheit bewusst.
Und tragen genau diesen Eindruck oft über Jahre mit sich, still und Scham besetzt.

Warum „bedingungslose Wertschätzung“ kein Luxus, sondern Notwendigkeit ist

Der Satz „Schön, dass es dich gibt“ wirkt banal.
Doch für Menschen mit ADHS kann er wie ein Anker sein.

Denn sie erleben im Alltag oft:

  • nicht ernst genommen zu werden
  • missverstanden zu werden („Du übertreibst doch nur“)
  • funktionieren zu müssen, um geliebt oder akzeptiert zu werden
  • Ablehnung, wenn sie „zu viel“, „zu laut“ oder „zu empfindlich“ sind

Ein ehrliches
„Ich bin froh, dass du da bist“ – ohne „aber“
ist für viele neurodivergente Menschen ein seltener Moment der emotionalen Sicherheit.
Ein Moment, in dem sie nicht leisten, erklären oder sich rechtfertigen müssen.

Wertschätzung ≠ Loben für Leistung

In einer leistungsorientierten Gesellschaft werden Menschen oft für Ergebnisse geschätzt.
Aber was, wenn der Tag für jemanden mit ADHS schon eine Heldentat war, weil er:

  • pünktlich zur Arbeit kam
  • den Wäscheberg ignorierte, um sich auszuruhen
  • nicht in ein Gedankenkarussell gefallen ist
  • einfach durchgehalten hat, obwohl alles zu viel war?

Echte Wertschätzung heißt:
Du bist wichtig!
Nicht weil du funktionierst, sondern weil du du bist!

Was neurotypische Menschen tun können

Wenn du neurotypisch bist, kannst du einen großen Unterschied machen.
Nicht durch große Gesten, sondern durch kleine, echte Anerkennung:

  • höre zu, auch wenn die Erzählung springt
  • nimm Rückzug nicht persönlich
  • erkenne innere Kämpfe an, auch wenn sie äußerlich „nicht sichtbar“ sind
  • sag öfter: „Ich sehe, dass es dir schwerfällt.
    Bin aber trotzdem bei dir.“

Und vor allem:
Sag es laut, wenn du jemanden schätzt.
Für Menschen mit ADHS ist dieser Satz kein Selbstläufer.
Sondern ein heilender Moment!

Ein einfacher Satz, der für andere lebensverändernd sein kann

„Schön, dass es dich gibt“
ist kein Kitsch, wenn er ehrlich gemeint ist.
Für viele Menschen mit ADHS ist er ein Gegengewicht zu einem Leben voller Unsicherheiten, Anpassungsversuchen und dem Gefühl, „nicht ganz richtig“ zu sein.

Er ist ein Bruch mit gesellschaftlicher Funktionalitätslogik.
Ein Ausdruck von Beziehung statt Bewertung.
Und manchmal genau das, was gebraucht wird, um durch den nächsten Tag zu kommen.


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6 Antworten zu „„Schön, dass es dich gibt“ – Warum neurodivergente Menschen mehr sind als nur „anders“”.

  1. […] sind die, die mich nicht für mein Funktionieren lieben, sondern für mein Sein.Teilen filtert Beziehungen. Und ja, das ist schmerzhaft.Aber auch […]

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  2. […] Maria Klitz schreibt ihren 499. Artikel auf dem Blog und macht sich Gedanken darüber, warum der Impuls-Satz für neurodivergente Menschen nicht immer einfach ist: „Schön, dass es dich gibt“ – Warum neurodivergente Menschen mehr sind als nur „anders“ […]

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  3. Ja, das glaube ich.
    Denn, der Satz „Schön, dass es dich gibt“ sagt im Grunde nicht viel, wenn nicht sogar gar nichts aus.

    Was ist schön?
    Und für wen ist es schön?

    Wäre es nicht von Vorteil, wenn der Mensch genau sagt, was er meint?

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  4. Super interessant, diese Perspektive. Glaubst du, dass es einen Unterschied darin gibt, wie neurodivergente Menschen Sätze wie diesen sagen? Also auch den Umgang damit, diese Wertschätzung zu geben? Ich glaub ja, dass das auch eine große Herausforderung sein kann – für alle. Und dass es vielleicht deswegen auch manchmal (zu) selten gesagt wird. Danke für deine Gedanken und dass du den Impuls wieder so wunderbar aufgreifen konntest!

    Liebe Grüße
    Anna

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  5. Das ist absolut richtig, dass es Menschen mit ADHS schwer fallen kann, Komplimente anzunehmen.
    Das ist auch einer meiner nächsten Artikel.

    Jedoch sollte dieses neurotypische Menschen nicht davon abhalten, diesen Satz zu äußern

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  6. Liebe Maria,

    es ist kein Kitsch und ein wertvoller Satz, wenn er von Herzen kommt.
    Meine Erfahrung ist, dass es gerade neurodivergenten aufgrund der von dir erwähnten chronischen Selbstzweifel schwer fällt solche Wertschätzung anzunehmen.

    Um so wertvoller, wenn sie es können und wir dran bleiben, ihnen diese Wertschätzung entgegen zu bringen.

    Herzliche Grüße
    Stephanie

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