„Aber eigentlich passt es doch ganz gut.“

Ein Satz, den viele Menschen sagen, obwohl sie im Inneren bereits Zweifel verspüren.

Was genau bedeutet eigentlich „es passt“?
Diesen Impuls hat Anna in ihrer 52. Blognacht als mögliches Thema in die Runde gegeben.
Und auch, wenn ich an dem Abend nicht persönlich dabei war, möchte ich ihn als Anlass nehmen, darüber zu bloggen.
Und wann ist eine Beziehung tatsächlich tragfähig, auch emotional erfüllend?

In einer Zeit, in der Individualität und Selbstverwirklichung stark betont werden, ist Beziehung nicht mehr nur Versorgung oder Pflichtgefühl. 
Sie ist idealerweise ein sicherer Ort emotionaler Nähe, gegenseitiger Unterstützung und persönlicher Entwicklung.

Doch was passiert, wenn man sich immer wieder fragt, ob das wirklich gegeben ist?
Und sich dabei mehr allein als verbunden fühlt?

Was bedeutet „es passt“?

Wenn wir sagen, „es passt“, sprechen wir oft von oberflächlichen oder äußeren Übereinstimmungen:
gemeinsame Interessen, ähnliche Lebenspläne, Humor oder Alltagsroutinen.
Diese Dinge können zwar angenehm und hilfreich sein.
Sie sagen jedoch wenig über die emotionale Qualität einer Beziehung aus.

Wichtiger für ein langfristiges „passen“ sind Fragen wie:

  • Fühle ich mich emotional gesehen und ernst genommen?
  • Kann ich Schwäche zeigen, ohne mit Spott oder Abwertung rechnen zu müssen?
  • Wird Verantwortung geteilt oder auf mich abgewälzt?
  • Kann ich über meine Bedürfnisse sprechen, ohne Angst vor Zurückweisung zu haben?

Wenn auf diese Fragen keine stabilen, positiven Antworten folgen, kann die Beziehung im Alltag „funktionieren“!
Aber nicht gelingen!
Denn auf emotionaler Ebene fehlt das Fundament.

Emotionale Sicherheit als Basis

Psychologische Studien zeigen, dass emotionale Sicherheit, das Gefühl, sich verletzlich zeigen zu dürfen, ohne Angst vor Ablehnung oder Bewertung, ein zentraler Prädiktor für Zufriedenheit in Beziehungen ist (z. B. Bowlby, 1969; Johnson, 2008).
Wer sich bei seinem Gegenüber regelmäßig abgewertet, ignoriert oder nicht ernst genommen fühlt, entwickelt häufig Rückzugstendenzen, Selbstzweifel oder Unsicherheiten in der Kommunikation.

Besonders bei Menschen mit ADHS oder anderen neurodiversen Herausforderungen verstärken sich diese Effekte oft:
Das Bitten um Hilfe, das Zeigen von Unsicherheit oder das Mitteilen von emotionalem Bedarf sind ohnehin mit Scham oder Angst verknüpft, wenn darauf dann noch Spott oder Unverständnis folgt, entsteht ein tiefes Gefühl von Isolation.

Verantwortung und emotionale Reife

Ein weiteres zentrales Kriterium für eine tragfähige Beziehung ist die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen.
Sowohl für eigene Worte und Reaktionen, als auch für den emotionalen Raum, der gemeinsam gestaltet wird.

Partner, die Fragen ausweichen, Entscheidungen lieber anderen überlassen oder nicht bereit sind, sich selbst zu reflektieren, entziehen sich dieser Verantwortung oft unbewusst.
Für den anderen Part der Beziehung bedeutet das häufig:

  • sich alleine mit Problemen konfrontiert zu sehen,
  • immer wieder in die Rolle der „Erklärenden“ zu rutschen,
  • emotionale Nähe einfordern zu müssen, ohne Antwort.

Langfristig führt das zu einer unausgewogenen Dynamik, in der einer gibt und trägt und der / die andere vermeidet und entzieht.

Warum es manchmal „nicht passt“, obwohl Gefühle da sind

Der wohl schwerste Teil:
Man kann jemanden lieben und trotzdem erkennen, dass es nicht passt.
Liebe allein reicht nicht, wenn emotionale Zugänglichkeit, Verantwortungsübernahme und gegenseitiger Respekt fehlen.

Ein / e Partner / in, der / die auf Bitten mit Spott reagiert, Verantwortung scheut und nicht kommuniziert, wie er / sie empfindet, signalisiert damit nicht nur emotionale Unverfügbarkeit, sondern auch einen Mangel an echter Verbindung.
Kinder, Freundinnen oder Partnerinnen spüren diese Haltung oft sehr früh und reagieren mit Rückzug, Unsicherheit oder Schweigen.

Wer sich immer wieder fragt, ob er / sie „zu empfindlich“, „zu fordernd“ oder „zu kompliziert“ ist, sollte stattdessen die Frage stellen:
Bin ich in einem Raum, in dem meine Gefühle überhaupt Platz haben dürfen?

Passt es oder halte ich nur aus?

Eine Beziehung „passt“ dann, wenn beide Seiten bereit sind, sich mit ihren eigenen Themen auseinanderzusetzen und dem anderen dabei mit Respekt, Neugier und Unterstützung zu begegnen.
Es geht nicht um Perfektion, sondern um Bereitschaft.

Wer sich nicht gesehen, nicht gehört oder sogar regelmäßig verletzt fühlt, sollte sich fragen:

  • Passt es wirklich oder rede ich es mir nur passend?
  • Trage ich allein die Verantwortung für Verbindung?
  • Wäre ich glücklicher, wenn ich meine Energie nicht ins „Erklären“ investieren müsste?

„Es passt“ darf kein Trostpflaster sein.
Sondern eine tiefe, gelebte Realität!


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3 Antworten zu „Passt – Oder doch nicht? Wenn emotionale Verbindung und Beziehungskompatibilität nicht übereinstimmen”.

  1. […] So oft habe ich meine Erfahrungen geteilt und Antworten bekommen wie: „Genau so geht es mir auch und ich dachte, ich bin allein damit.“Dieses „Ich auch“ ist keine Kleinigkeit.Es ist ein Moment der Entlastung, ein Atemzug, in dem sich Isolation auflöst.Denn was von innen wie persönliches Scheitern aussieht, ist in Wahrheit eine geteilte Erfahrung.Teilen macht sichtbar, dass wir nicht defekt sind:sondern verbunden. […]

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  2. […] Und so wird das, was eigentlich Nähe sucht, zu einer Wand aus Rückzug.Nicht, weil keine Verbindung gewünscht ist. Sondern weil sie zu schnell, zu laut, zu viel wird. Auch das gehört zum […]

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  3. […] viele war das nie „nur Theorie“. Ihr habt mir geschrieben, dass ihr euch durch meine Worte erkannt habt: euch nicht mehr als […]

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