Es gibt Menschen, die denken an Sommer und sehen Postkartenbilder:
weiße Strände, tiefblaue Himmel, glitzerndes Wasser.
Ich auch.

Aber wenn ich von „Sommer“ spreche, meine ich nicht nur das, was draußen passiert.
Mein Sommer lebt in meinem Kopf.
Und das, das ganze Jahr über:
er ist heiß, hell, laut, bunt, und wechselt seine Stimmung schneller, als Wolken über den Himmel ziehen.
er ist ein Ort, an dem Gewitter und Sonnenschein in derselben Minute Platz haben,
wo Energie sich staut und plötzlich entlädt,
wo jedes Licht, jeder Schatten, jeder Windhauch einen Gedanken auslöst.
So fühlt sich mein ADHS an.

Ich habe diesen Sommer in sechs Buchstaben, jeden für eine Facette meines inneren Klimas, anlässlich der Blogparade „Sommer“ von mutter-und-sohn.blog in einen Blogartikel gefasst.

S – Schnell wie ein Gedanke

Manchmal habe ich das Gefühl, meine Gedanken sind wie Funken im trockenen Gras:
ein winziger Impuls, und schon breitet sich ein Feuer aus.

Es gibt keine Anlaufzeit, keinen gemächlichen Start.

Mein Kopf springt direkt hinein, findet Verbindungen, die andere nicht einmal suchen, und entscheidet, bevor mein Bauch überhaupt sagen kann: „Moment mal…“.

Das kann unruhig wirken.
Und ja, es ist anstrengend, ständig in diesem Tempo zu sein.
Aber es schenkt mir die Fähigkeit, im richtigen Moment blitzschnell zu handeln.

Ich bin nicht nur reaktionsschnell.
Ich bin auch schnell im Denken.

Mein Verstand schießt manchmal wie ein Vogel in die Luft, kreist kurz und stürzt sich dann auf etwas, das mich packt.
Was für andere „Impulsivität“ ist,
ist für mich das Vertrauen darauf, dass mein inneres Radar Chancen erkennt, bevor sie vorbeiziehen.
So wie bei einem Sommergewitter:
plötzlich, heftig, und danach riecht alles nach Aufbruch.

O – Oh, ein Schmetterling!

Ich laufe durchs Leben mit offenen Augen.
Und allem, was ich sehe, gebe ich eine Einladung in meinen Kopf:
ein Lichtreflex auf einer Fensterscheibe kann mich so fesseln wie ein ganzes Buch.

Manchmal reicht auch ein winziger Auslöser, um einen Gedankensprung auszulösen, der mich weit weg von meinem Ausgangspunkt trägt.
Viele nennen das Ablenkung.
Für mich ist es Neugier.

Ich bin wie ein Schmetterling, der nicht nur eine Blume besucht, sondern gleich die ganze Wiese kennenlernen will.
Denn jede duftet anders, schmeckt anders, schimmert anders.

Ich entdecke Schönheit im Unscheinbaren,
lausche der Stille zwischen den Geräuschen,
sehe Geschichten, wo andere nur Dinge sehen.
Und genau in diesen „Abschweifungen“ entstehen oft meine besten Ideen.

M – Magnet für Reize

Die Welt spricht mit mir in tausend Stimmen gleichzeitig:
manchmal ist es ein Flüstern,
manchmal ein Chor,
manchmal ein Orkan.

Ich nehme alles wahr:
den Geruch von Regen auf heißem Asphalt,
den winzigen Riss in der Kaffeetasse eines Fremden,
den leisen Wechsel in der Stimme meines Gegenübers.
Das kann überwältigend sein, als würde man ständig in einer übervollen Sommerrunde am Lagerfeuer sitzen, in der jeder gleichzeitig spricht.
Aber es macht mein Erleben auch so reich.

Denn aus diesen vielen Eindrücken entstehen Farben, Gerüche und Gefühle, die sich zu Bildern verweben.
Und manchmal genügt ein einziger Reiz, und mein Kopf beginnt, eine ganze Welt darum herum zu bauen.

Ich bin wie ein Sammler von Lichtpunkten:
wenn genug davon zusammenkommen, entsteht etwas Neues.

M – Mitten im Ideenfeuerwerk

In meinem Kopf ist nie nur eine Bühne besetzt.
Es sind immer mehrere gleichzeitig.

Mal spielt dort eine laute Rockband aus Ideen,
mal tanzen leise Gedichte im Hintergrund.

Und ich?
Ich springe zwischen ihnen,
nehme von hier einen Gedanken mit,
von dort ein Bild,
füge sie zusammen und
sehe plötzlich etwas, das vorher nicht existierte.

Meine Kreativität ist unberechenbar:
sie lässt sich nicht herbeizwingen,
sie bricht einfach auf wie die erste Sommerblüte nach einem warmen Regen.

Oft ist es auch so, als würde ich unter einem Himmel voller Sternschnuppen stehen:
jede einzelne eine Möglichkeit,
eine Geschichte,
ein Projekt.

Ich kann nicht alles festhalten,
aber das, was bleibt,
leuchtet umso heller.

E – Energieexplosionen

Es gibt Momente,
in denen mich eine Idee so trifft, dass ich sofort alles andere liegen lasse.

Dann arbeite ich mit einer Intensität, die fast körperlich spürbar ist.
Wie ein Sprint, bei dem ich nicht merke, dass ich renne.

In diesen Phasen bin ich wie die Sonne im Hochsommer:
hell, warm, und so kraftvoll, dass alles wächst, was ich berühre.

Ich vergesse die Zeit, vergesse Hunger und Müdigkeit.
Nur die Sache zählt, an der ich gerade brenne.

Und wenn ich diese Energie teile, springt sie oft auf andere über.
Wie eine Welle, die plötzlich das ganze Ufer erreicht.

Ja,
diese Explosionen sind nicht jeden Tag da.
Aber wenn sie kommen,
sind sie pures Leben.

R – Rebellion gegen Langeweile

Mein Sommer kennt keinen endlosen, gleichbleibenden Himmel.

Ich brauche Bewegung,
Wandel,
neue Horizonte.

Routine fühlt sich an wie stickige Luft.
Ich will aber Türen aufreißen, rausrennen, sehen, was dahinter liegt.

Ich stelle infrage, was keinen Sinn ergibt, und finde Wege, selbst graue Tage bunt zu färben.
Meine Neugier ist ein Motor, der mich immer weiter treibt.

Und wenn ich lange genug in der gleichen Landschaft stehe, baue ich mir eine neue:
manchmal aus Ideen,
manchmal aus Taten.

Für mich ist das keine Flucht,
sondern ein Instinkt.

Leben bedeutet Veränderung,
und Langeweile ist nur ein Zeichen,
dass es Zeit ist,
etwas Neues zu probieren.


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Eine Antwort zu „SOMMER im Kopf – mein ADHS zwischen Sonnenstrahlen und Gewittern”.

  1. […] ist nie neutral.Wer von ADHS erzählt, teilt nicht nur Fakten, sondern gibt auch Einblick in innere Kämpfe.Es bedeutet, sich verletzlich zu zeigen, das eigene Chaos nicht mehr nur im Kopf zu halten, sondern […]

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