Am Montag, den 24.03.2018 war es soweit: mein 3-jähriger Sohn hatte nachmittags wieder Turnen.

Die ersten drei Mal war ich als Mama komplett mit dabei. Zum einen, weil wir weder die Räumlichkeiten noch die Regeln kannten geschweige denn die Kinder, zum Anderen waren uns auch die Übungsleiter unbekannt. Bis zur dritten Stunde wusste ich noch nicht mal, dass drei verschiedene Frauen mit jeweils einer weiteren Person die Stunden leiten – also insgesamt sechs verschiedene Personen, die jede Woche wechseln.

Ich machte mir in der dritten Stunde schon mal Gedanken,

wann wohl der richtige Zeitpunkt wäre, dass ich, wie alle anderen Eltern auch, nach Hause gehe und meinen Sohn dort ohne mich turnen lasse.

Es wäre das erste Mal gewesen, dass mein Sohn bei einer fremden Person ohne mich oder seinen Papa, also alleine, bleiben würde.

Denn er lebt im Moment kitafrei: einerseits, weil wir ihn bis zum vierten Geburtstag zu Hause betreuen wollten und jetzt, weil er noch keinen Platz im Kindergarten hier im Ort hat.

Nun war sie also da: die vierte Stunde.

Wir gingen, wie alle anderen Eltern mit ihren Kindern in die Turnhalle.

Ich zog meinem Sohn seine Turnschuhe aus und seine Stoppersocken an.

Kaum hatte er diese an, flitzte er durch die Halle und war nicht mehr zu bremsen.

Ich hatte ein gutes Gefühl.

 

 

Plötzlich kam die Übungsleiterin auf mich.

Bei ihr hatte ich beim ersten Mal von Anfang an ein super gutes Gefühl. Sie sprach an, dass es für die Kinder von Vorteil wäre, sie hier ohne Eltern turnen zu lassen, da die Kinder so nicht zwischendurch zur Bank zu ihren Eltern rennen würden. Ich verstand sie. Irgendwie fühlte ich mich unsicher. Wollte ich doch vor der relevanten Stunde mit meinem Sohn darüber reden, ihn fragen wie es ihm damit geht. Ich war völlig überrumpelt.

Bat sie, mich direkt anzurufen, wenn er nach mir fragen oder sich unwohl fühlen würde.

Sie versicherte dieses und schaute auch noch mal direkt in die Telefonliste. Da wir fünf Häuser weiter wohnen, wäre ich also sehr schnell wieder dort.

Ich ging zu meinem Sohn und erzählte ihm, dass ich jetzt nach Hause gehe und am Ende der Turnstunde wiederkomme und ihn abhole. Er, wenn er sich nicht gut fühlt das sagen kann und mich auch jederzeit anrufen kann.

Er meinte: „Okay“

Ich ging nach Hause.

Einerseits fühlte ich mich gut.

Andererseits war ich unsicher.

 

Was mache ich denn jetzt mit der ganzen freien Zeit? – 45 min

Wie geht es meinem Kind?

Habe ich ihn in der Situation überrumpelt?

Meine Gedanken drehten sich im Kreis.

Und was macht Frau, wenn sie plötzlich und unerwartet Zeit hat?

Richtig!

Sie räumt die Geschirrspülmaschine aus und wieder ein.

Sie räumt die Waschmaschine ein.

Und plötzlich waren die 45 min rum. Nicht ganz, aber ich brauchte ja auch 1 – 2 min bis dahin und war ja erst nach einigen Minuten gegangen.

Ich ging voller Zuversicht in die Turnhalle und wartete im Vorraum. Von diesem konnte ich durch die Glastür mein Kind beobachten. Ich war wahnsinnig stolz ihn da zu sehen. Er kletterte und rutschte die Bank von der Sprossenwand runter, rannte durch die Turnhalle und hatte sichtlich Spaß. Ich hatte ein super gutes Gefühl. Mein Sohn rannte auf mich zu und erzählte mir, dass er Spaß hatte, gerannt und gerutscht ist.

Dann kam die Übungsleiterin auf mich zu.

Irgendwie wurde mir gerade ganz warm.

Sie erzählte mir, dass er Spaß hatte, nicht nach mir gefragt hat.

Plötzlich stockte sie.

Und schaute mich an.

Sie wisse nicht, wie sie es sagen solle.

Ich schaute sie mit einem Lächeln an und sagte: “Mit Worten“

Sie nickte mit einem unsicheren Lächeln.

Plötzlich wurde ich unsicherer.

Mir wurde warm. Mir wurde kalt.

Ich hatte Angst. Was sie mir wohl gleich sagen würde?

Die Sekunden ihres Schweigens vergingen wie im Fluge.

Sie schaute mich an. Und auch ihre Unsicherheit war ihr anzusehen.

„Kann es sein, dass er (mein Sohn) entwicklungsverzögert ist?“

Ich schaute sie völlig entsetzt, überrumpelt und verständnislos an.

„Nein!“ war meine Antwort.

„Wie kommst du da drauf?“

„Naja, sie hätte den Kindern Feuer, Wasser, Blitz erklärt und er hätte als Einziger nicht direkt beim Wort reagiert. Erst als sie ihn direkt angesprochen habe, hat er es umgesetzt.“

„Naja, er hat dieses Spiel in der letzten Stunde das erste Mal gespielt und war vorher noch nie in einer so großen (ca. 12 – 16 Kinder im Alter von 3 – 5 Jahren) Kindergruppe.“

„Ach, er geht noch nicht in den Kindergarten?“

„Nein, da geht er noch nicht hin!“

„Oh“, das dachte ich.

Ich dachte halt, ich spreche direkt an, wenn mich etwas beunruhigt.“

„Ja, das finde ich gut.“

 

Einerseits fand ich es gut, wenn ihr etwas auffällt, es direkt zu äußern.

Andererseits hat sie meinen Sohn erst 90 min gesehen und dann so ein Urteil gefällt.

Meine Gefühle fuhren Achterbahn:

Wie kann jemand nach 90 min so ein Urteil fällen?

Und das Ganze als Übungsleiterin ohne pädagogischen Hintergrund.

Wusste sie überhaupt, was entwicklungsverzögert bedeutet?

Hatte sie vielleicht doch recht?

Habe ich in der Entwicklung meines Sohnes etwas nicht bemerkt?

Ich machte mir ernsthaft Gedanken um seine Entwicklung und auch um ihre Äußerung!

Irgendwie war mir flau im Magen.

Ich zog meinem Sohn seine Stoppersocken aus, die Turnschuhe an.

Er bestand, wie jede Stunde, darauf, sich persönlich von der Übungsleiterin zu verabschieden.

Er tat dieses und wir verließen die Turnhalle.

An diesem Tag war er so müde, dass er mich bat, ihn nach Hause zu tragen.

Dieses tat ich natürlich.

Zu Hause angekommen zockte mein Sohn noch am Tablet.

Ich betrachtete ihn sehr genau.

Ich bin doch gelernte Erzieherin.

Ich fühlte mich so schwer.

Mein Herz fühlte sich wie gebrochen an.

 

Am Abend, als ich meinen Sohn im Wohnzimmer mit meinem Mann zusammen saß, erzählte er vom Turnen: „Ich hatte Spaß, bin gerutscht.

Aber Mama, nicht gehen.

Will nicht alleine sein.

Du auf die Bank setzen.

Nicht alleine sein!“

 

Ich war wie vor den Kopf gestoßen.

Und fragte ihn noch einmal, ob es in Ordnung ist, wenn ich beim nächsten Mal wieder gehe.

„Nein! Nicht gehen!

Da bleiben!

Nicht alleine sein!“

 

Ich fühlte mich schlecht!

Hatte ich meinem Sohn das Gefühl vermittelt, dass ich ihn alleine lassen würde?

Das wollte ich niemals!

Er ist doch das Wichtigste und Liebste, was ich habe!

 

Ich redete mit ihm darüber.

Fragte ihn nach seinen Gefühlen.

Erzählte ihm, warum ich gegangen bin.

 

Wir gingen ins Bad, machten uns bettfertig und gingen ins Bett.

Normalerweise sucht sich mein Sohn jeden Abend ein Buch aus, welches ich im vorlese.

An diesem Abend wollte er kein Buch.

Er wollte nur kuscheln.

Ich kuschelte mich ganz eng an ihn.

Er sprach mich an, dass er nicht möchte, dass ich gehe.

Er möchte nicht alleine sein.

Er hat Spaß, turnt gerne.

Aber mit mir.

 

Die letzte Woche war ein auf und ab voller Gefühle, Gedanken und dem genauen Beobachten meines Sohnes!

Ich bin gespannt und auch ein wenig ängstlich wie es morgen, am Montag sein, wird

 

Und wenn du noch weiter in das Thema einsteigen möchtest, empfehle ich dir meinen Kurs zum Thema „Miteinander reden – Warum dir dein kind nicht immer zuhört“

9 Antworten zu „Das erste Mal alleine – Teil 1”.

  1. Oha wie aufregend!
    Vielleicht hat er Schiss vor seiner eigenen Courage. Weil es alles noch so neu ist für ihn. eine Art Eingewöhnung.
    Die Kursleiterin macht mir mehr Sorgen 😉.
    Liebe Grüsse

    #darfichspasshabenohnemutti #kommtsiewieder?
    #garnichtvermisstunddochdaswichtigste

    P.s. in 45min Kindfreizeit kann Frau auch mal die Beine hochlegen.

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    1. Vielen lieben Dank für deine wertschätzende Rückmeldung.
      Warum macht dir denn die Übungsleiterin Sorgen?

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    2. Mein Satz sollte dich ablenken. Das schwere Mutterherz erheitern. An ihrer Stelle würde ich das Kind länger beobachten, bevor ich so etwas vermelde…
      LG m

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  2. Ich finde die Aussage der Übungsleiterin sehr gewagt, vor allem nach einer solch kurzen Beobachtungszeit. Mütter haben in der Regel ein gutes Gefühl für ihre Kinder und merken, wenn die eigenen Kinder entwicklungsverzögert sind. Wobei das auch so ein Begriff für sich ist. Er wird viel zu leichtfertig gebraucht. Kinder entwickeln sich nun mal unterschiedlich, vor allem in dem Alter von deinem Sohn. Auf jeden Fall ein schöner Einblick in dein Seelenleben und das deines Sohnes!

    Viele Grüße
    Jenny
    http://www.mamastimme.de

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    1. Ich danke dir sehr für deine mutmachenden Worte

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  3. […] bei einem kurzen Weg bedeuten kann). Nach unserer Erfahrung beim dem ersten Trennungsversuch https://beduerfnisorientiertesfamilienleben.com/2018/09/30/das-erste-mal-alleine-teil-1/ bleibe ich jetzt immer dabei: als einziger Elternteil. Alle anderen Eltern bringen ihre 3-5 […]

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  4. […] mein Gott, war ich nervös. Ich hatte so eine Angst und war so unsicher. Zumal ja unsere erste Trennung im Kinderturnen nicht so toll war. Auf Nachfrage der Erzieherinnen (es sind zwei in der Gruppe) erzählte ich […]

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  5. […] das Licht aus und das Zimmer komplett dunkel, könnte dein Kind sich einsam und alleine fühlen, die Dunkelheit könnte sogar angst auslösen. Ein kleines Nachtlicht oder ein Steckdosenlicht […]

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